ZENTRAL

Beelitz (Brandenburg) , Berliner Str. 18

eröffnet: 1912
geschlossen: 1945
Sitzplätze: 340 (1921) - 276 (1930) - 222 (1940)
Architekt:  
Betreiber: Rudolf Lintow                                1912-1930             Kinoname: Zentrallichtspieltheater

Fanny Weitze, Berlin-Schöneberg   1931-1937

Rolf Jähner, Caputh                        1938-1939             neuer Kinoname:Lintows Lichtspiele

Erich Weitze                                   1941-1945

Der einstige Glanz des Hauses ist verflogen. Die Fassade der traditionsreichen Gaststätte bröckelt unaufhörlich. Die Fußgänger in der Berliner Straße werden mit einem Bauzaun vor dem herunter fallenden Putz geschützt. Einige Fenster im Erdgeschoss sind vernagelt. Darüber prangt wie ein Gruß aus einer anderen, besseren Zeit noch der Schriftzug „Deutsches Haus“. Das verfallende Gebäude beherbergte einmal nicht nur eine florierende Gaststätte mit Fremdenzimmern, sondern ist auch der Ort, an dem die Kinogeschichte in Beelitz ihren Anfang nahm. Wer genauer die Fassade betrachtet, entdeckt neben dem erhaltenen Namen „Deutsches Haus“ auch den Schriftzug „Rudolf Lintow“, von dem einige Buchstaben schon herab gefallen sind.

Mit seiner Frau Anna übernahm dieser 1910 die Gaststätte und entschloss sich im Jahr darauf, im nach hinten verlaufenden Saal ein stationäres Kino einzurichten. 1912 öffneten somit früher als an vielen anderen Orten in Mittelmark die „Zentral-Lichtspiele“ im Deutschen Haus. Der Entschluss von Rudolf und Anna Lintow erwies sich als richtig und profitabel. Die 330 Plätze des Kinos waren regelmäßig gut gefüllt. Die Faszination Kino lockte aus der ganzen Umgebung Menschen an. Bis zum Ende der 1920er Jahre flimmerten in den Zentral-Lichtspielen Stummfilme über die Leinwand, die musikalisch untermalt wurden.

Anschließend hielt der Tonfilm auch Einzug in Beelitz und sorgte weiter für regen Zuspruch. Der wirtschaftliche Erfolg der Zentral-Lichtspiele trug dazu bei, dass in den 1930er Jahren in der heutigen Clara-Zetkin-Straße ein weiteres Kino eröffnete, die späteren „Venus-Lichtspiele“. „Dort wurden vor allem amerikanische Filme, besonders Wild-West-Filme gezeigt. Bei uns liefen die deutschen Ufa-Filme“, erinnert sich Sieglinde Brüning, die Enkelin von Rudolf und Anna Lintow. Die 1930er Jahre waren jene, in denen der Film einen wahren Boom erlebte. Beide Kinos in Beelitz liefen gut. Mit zwei Kinos war Beelitz in der Region eine Lichtspiel-Hochburg. 1934 starb Rudolf Lintow. Seine einzige Tochter Charlotte übernahm mit ihrem Mann Fritz Brüning die Gaststätte mit den Zentral-Lichtspielen.

Einige Jahre später wurde den beiden die Belastung zu groß. Fritz und Charlotte Brüning betrieben das Deutsche Haus mit Gaststätte und seinen Fremdenzimmern mit zwölf Betten selbst weiter und verpachteten das angeschlossene Kino. Ein gewisser Weitze übernahm so im Zweiten Weltkrieg die Zentral-Lichtspiele. Er war zu dieser Zeit auch der Betreiber des anderen Kinos in der Clara-Zetkin-Straße. Mit Kriegsende endete auch die Kinogeschichte an dem traditionsreichen Ort der Zentral-Lichtspiele. Obwohl Fritz Brüning als ehemaliger Oppositioneller unter dem Nazi-Regime zunächst für vier Wochen als Bürgermeister von Beelitz eingesetzt wurde, musste er mit ansehen, wie die Rote Armee die Filmapparaturen in seinem Kino einfach mitnahm. „Die haben unser Kino ausgewählt, weil wir die besseren Geräte hatten als die Venus-Lichtspiele“, erklärt sich Sieglinde Brüning den Vorgang. Damit verblieben zwar die Sitze im Saal hinter dem Deutschen Haus, der fortan aber nur noch für Konzerte und Tanzveranstaltungen genutzt wurde.

Mit den Venus-Lichtspielen existierte nach 1945 nur noch ein Kino in Beelitz, das zudem das kleinere war. Während die Zentral-Lichtspiele über 330 Sitze verfügten, gab es im Kino in der Clara-Zetkin-Straße nur rund 100 Plätze. Rasch nach dem Kriegsende wurde dieses kleinere, noch funktionsfähige Lichtspielhaus verstaatlicht und als Venus-Lichtspiele weitergeführt. An zwei Wochentagen öffnete es später etwa in den 1980er Jahren. „Der Filmvorführer musste daneben auch im damaligen Kulturhaus der Eisenbahner in Neuseddin und auch in Beelitz-Heilstätten an einem Spieltag Filme zeigen“, blickt Wolfgang Freidank zurück, der zu dieser Zeit die Kreisfilmstelle Potsdam leitete, der das Kino unterstand.

Auf ungewöhnliche Weise kehrte zu Zeiten der DDR auch an die traditionsreiche Stelle der früheren Zentral-Lichtspiele der Film zurück. Zum einen diente der Saal kurzzeitig, in dem noch immer die Kinositze standen, als Ausweichquartier, als die Venus-Lichtspiele umgebaut wurden. Zum anderen nutzte die Deutsche Film AG (DEFA) das einstige Kino Anfang der 1960er Jahre als Atelier, als die Studios in Babelsberg noch nicht ausreichten. Szenen für DEFA-Filme wie das „Versteckte Fischerdorf“ oder „Kinnhaken“ entstanden so in Beelitz. Die Geschichte der Kinos endete in Beelitz rasch nach der Wende. Im Frühjahr 1991 schlossen alle einstigen staatlichen Kinos, für die sich bis dahin kein neuer Betreiber gefunden hatte – so auch die Venus-Lichtspiele.

Sieglinde Brüning, die das Deutsche Haus von 1963 noch bis 1973 betrieben hatte, hoffte in dieser Zeit, die einstige Gaststätte mit dem Kinosaal in der Berliner Straße mit neuem Leben erwecken zu können. „Mir schwebte ein Mehrzwecksaal vor, in dem verschiedene kulturelle Veranstaltungen stattfinden sollten“, blickt die Besitzerin des traditionsreichen Hauses zurück. Zeitweilig traten auch Interessenten auf, doch alle Pläne zerschlugen sich. Statt neuem Leben nagt nun der Zahn der Zeit unaufhörlich am „Deutschen Haus“. Im Jahr 2000 fiel die Stuckdecke im einstigen Kinosaal herunter. Nicht minder traurig stehen heute die leeren Venus-Lichtspiele da. Trotzig prangt noch die Leuchtreklame mit dem Namen des Kinos an der grauen Fassade in der Clara-Zetkin-Straße. Beide Gebäude erinnern so an eine Zeit, als Beelitz mit zwei Lichtspielhäusern eine Kino-Hochburg war.

Quelle: Märkische Allgemeine, Potsdamer Stadtkurier, 29.10.2005

 
   
 
 
 
                        Foto vom November 2011 (c) Jakob Damms

Vielen Dank an Jakob Damms für das untere Bild sowie an Knut Steenwerth für die übrigen Bilder

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