Berlin -
Pankow, Berliner Str. 27
eröffnet: |
1895 |
geschlossen: |
1994 |
Sitzplätze: |
370 (1918) - 357 (1925) - 823 (1929/1950) - 343/55 (1993) |
Architekt: |
Walter Erdmann & Reinhold
Lest (Neubau 1925) - Jitelson (Umbau 1927) - Heinz Glückmann (Umbauten 1960+1971) |
Betreiber: |
David Heimann
1918
Kinoname: Pankower Lichtspiele Willi Ihbe
1919-mind.1921 Ignaz Werner u. Mull mind.1924-1927 Tivoli
GmbH Gf: Harry Blumann 1927-1930
neuer Kinoname: Tivoli L27215 Eva
Guttmann
30.12.1930-1931
Karl Werner
1931-ca.1935 Ernst Metzger und Emil Backhaus 1936-1945 VEB Berliner Filmtheater Ende 50er-1991 Stadler-Karcher GbR 1991-1994 |
Hier zeigten in
der damaligen Gaststätte "Feldschlößchen" die Gebrüder Skladanowsky ihre ersten
Filme. Das Kino galt also als das älteste Deutschlands. Umso bedauerlicher, das
diverse Neubauplanungen nach dem Abriss 1994 nicht zustande kamen und die
Geschichte des historischen Platzes wohl nicht weitergeschrieben
wird.
1925 wurde der
frühere Ballsaal der Gaststätte, der sich mittlerweile als pures Kino etabliert
hatte, durch einen größeren Neubau ersetzt. Das vorgelagerte Restaurant wurde bei einem weiteren Umbau 2
Jahre später zum Foyer umfunktioniert. Bei der erneuten Wiedereröffnung wurde Max Skladanowsky
als Ehrengast begrüßt und einige der Filmstreifen aus dem Jahr 1895
gezeigt. Die erstaunlich klaren Bilder wurden mit großem Beifall
bedacht. L2215 K271080
Am
30. Dezember 1930 berichtet die "Lichtbild-Bühne" über die Eröffnung
unter der Direktion von Eva Guttmann, die damit in die Stapfen Ihres
Vaters getreten sein soll. In den Kinoadressbüchern gibt es auf diese
Familie allerdings keine Hinweise. L30002
Eine neuerliche
Umgestaltung erfolgte in den 60er-Jahren.
Nach der Wende
betrieb das Team vom Charlottenburger "Filmkunst 66" das Kino für einige Jahre
weiter. Trotz des Einbaus eines zweiten Saales gaben die Betreiber 1994
auf.
Zum
tragischen Lenenslauf des Betreibers Emil Backhaus (geb. 02.02.1883 in
Bremen, gest. 18.06.1946 Berlin-Lichterfelde) hier einige Auzüge aus
seinen Tagebüchern, eingesendet von seiner Enlkelin Ulrike Doyle:
In dem Kino gab es mehrere
Angestellte, doch er selbst besuchte mit 54 Jahren (1937) noch eine
"Kinovorführerschule" für vier Monate (Brief vom 14.11.1943 an Susanne
Backhaus). Er machte auch die "verhasste Buchhalterei" im Kino. Auch
Ernst Metzger ist in diesem Brief erwähnt im letzten Absatz.
Im Brief vom 26.11.1943 an seine Tochter Susanne schreibt er (nicht von mir eingescannt) über Fliegerangriffe auf Berlin:
..."Das unangenehmste in der Sache
ist, dass dies alles in so dunklen Nächten passiert ist, in denen
früher mit Fliegerbesuch überhaupt nicht zu rechnen war. Dabei sehr gut
gezielt. Es müssen Hundertausende obdachlos sein Da viel Minen und
Sprengbomben geworfen sind, kann man die Toten nicht annähernd schätzen.
Das Kino steht noch, aber sehr
beschädigt an Türen und Fenstern. In Pankow war aber anscheinend noch
kein Grossangriff angesetzt, so dass alles noch kommen kann. Ich war
gestern auf grossen Umwegen da, da ich befürchtete, es stände nicht
mehr und die Angestellten wären vielleicht verschüttet, da die Angriffe
gegen 1/2 8 schon los gingen. Gott sei Dank war nichts passiert. Heine
kann ich aber nicht erreichen. Er wohnt am Görlitzer Bahnhof und dahin
gibt es keine Telefonverbindung." ...
Im Brief vom 7.12.1943 schreibt er an
Susanne (eingescannt): ... tagtäglich die Berliner Verkehrsmittel zu
benutzen, die derart überfüllt sind, dass ich gestern von
Bornholmerstrasse bis Gesundbrunnen halb aus der Türe herausragte. Der
Weg von Pankow bis Lichterfelde dauert jetzt rund zwei Stunden, da man
lange warten muss, bis ein Zug kommt. Gestern 3/4 Stunden. Dann dauert
das Ein- und Aussteigen der vielen Menschen, die sich beschimpfen und
nicht rein und raus können, auf den größeren Bahnhöfen mehrere Minuten.
Im Kino sind alle Scheiben und Türen kaputt. Es ist sonst schon kalt,
aber jetzt werde ich die Erkältung gar nicht los. Hinfahren muss ich
aber, da man sich auf das Telefon nicht verlassen kann. Vielleicht wird
es langsam besser, aber bei jedem neuen Angriff wird es wieder dasselbe
sein. ..."
Im Februar 1945 kamen zuerst "die Russen" nach Berlin, später "die Amerikaner".
Der vormalige Kinobesitzer
beschuldigte Emil Backhaus bei Kriegsende ihn gezwungen zu haben, das
Kino unter Preis an ihn zu verkaufen, da er Jude sei. Emil Backhaus
wurde deshalb vor Gericht gestellt. Zusammen mit einer latenten
Kriegsdepression gab das den Ausschlag dazu, dass mein Großvater sich
am 18.06.1945 erhängte.
Meine Mutter schrieb dazu eine Notiz
auf einen Briefumschlag (eingescannt): " den Rest gab ihm der ehemalige
Besitzer des Tivoli, den er mit seiner arischen Frau laufend
unterstützte. Die Frau weinte bei uns, aber er wollte eine riesige
Entschuldigung.
Nach Vater Tod wurde er [der
ehemalige Tivoli-Besitzer] abgewiesen, keine Forderung, Vergleich! Nie
übertölpelt von Vater worden, der vielen [.. nicht lesbar ...]-Juden
half."
Vielen Dank an
Rudolf Schreck für
das linke und Knut Steenwarth für die weiteren BilderHistorische Ansichten finden Sie hier.
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