Berlin - Schöneberg,
Hauptstr.78-79
eröffnet: |
31.10.1929 - 23.01.1951 (Wiedereröffnung) |
geschlossen: |
1977 |
Sitzplätze: |
1106 (1929) - 1040 (1935) - 997 (1953/1962) |
Architekt: |
Martin Punitzer - P. Stohrer-Stuttgart und Architekt B.
Mellendorf, Berlin (Wiederaufbau 1951) |
Betreiber: |
Hermann Rosenfeld & Wilhelm
Sensburg 1929-1930 Hugo
Lemke & Ernst Defries
1930-1932 Hugo
Lemke 1933-1935 Lemke
&
Röder 1936-ca.1944 Hugo
Lemke 1951-mind.
1965 Arthur
Ludwig 1967
|
Dieses Gebäude wurde
1929 als Stahlskelettbau unter dem Namen „Roxy-Palast“ als Büro- und
Geschäftshaus (linker Teil des Gebäudes) mit angeschossenem Lichtspieltheater
(rechter Teil mit 1106 Sitzplätzen) erbaut. Es gilt als Hauptwerk der Neuen
Sachlichkeit des Architekten Martin Punitzer.
Im April des Jahres wurde mit den Bauarbeiten begonnen
nach sieben Monaten konnte man den fertiggestellten Palast bewundern. Die
horizontal verlaufenden Fenster des Gebäudes symbolisieren Filmstreifen. Ein
sehr geräumiges, stimmungsvoll beleuchtetes Foyer empfing den Besucher nach
Verlassen des Kassenraumes. Die Wände des Saales waren mit goldgelbem (vom
helleren bis zum dunklen abgestuften) Velvet bespannt, die Bestuhlung in
Übereinstimmung mit dem Vorhang, mit fraisefarbenem Rips. Fünf Lichtkränze
spendeten eine dezente, indirekte Beleuchtung, so das das Auge (und eventuell
auch das Gemüt) durch nichts gestört und behindert, sich ganz auf die Leinwand
konzentrieren konnte. Die Bestuhlung (das Parkett fasste 690 Plätze, der Rang
350) war auf allen Plätzen gleich, überall bequeme, weiche Sessel. Die niedrige
Deckenfläche, die der Rang bildete, wurde durch zwei weitere Lichtkränze
aufgeteilt.
Besondere Sorgfalt wurde auf den Bau der Bühne gelegt,die auch
einem mittleren Schauspieltheater alle Ehre machen würde. Mit Rundhorizont,
Seitenbeleuchtung, auswechselbaren Scheinwerfern und zwei Beleuchtungsbrücken
war sie (6 Meter tief und 11 Meter lang) jeder noch so schwierigen Bühnen schau
gewachsen. Mit Stolz wies Architekt Punitzer auf die Beschaffenheit der Fußrampe
hin. die so tief gelegt war, das der Zuschauer auch die Fußsohlen der Artisten
sehen konnte.
In den Vorführräumen wurde für den Fall eines Brandes
Volkehrungen zur Ableitung des Rauches getroffen. Drei Scheinwerfer und zwei
Ernemann-Projektionsmaschinen, mit Leitungen für eventuell anzuschließende
Tonfilm-Apparaturen, waren aufgestellt.
Hinter den Lichtkränzen an der Decke
befanden sich Umlaufkanäle. die die frische Luft von oben direkt in den Saal
leiteten. Für Entlüftung war durch Absaugkanäle an den Seiten gesorgt.
Die Eröffnungsvorstellung des Roxy- Palasts trug festliches
Gepräge. In großer Anzahl hatten sich die geladenen Gäste eingestellt, und den
Logenring füllten die Spitzen der Behörden. Es herrschte echte Premierenstimmung
im Haus, und erst als das Orchester unter Karl Fürmanns Leitung den Roxy-Marsch
intonierte, verstummten Raunen und erwartungsvolles Tuscheln. Direktor Wilhelm
Sensburg betrat die Bühne. Er begrüßte die Anwesenden herzlich und ungezwungen.
ganz besonders dankte er dem Staatssekretär Abegg, dem Polizeivizepräsidenten
Weiß und dem Bürgermeister von Friedenau für ihr Erscheinen. Er gab den
Anwesenden das feste Versprechen, immer um gute und wirkungsvolle Filme bemüht
zu sein und seinem Publikum das Beste vom Besten zu bieten. Worauf er, applaus-
überschüttet. hinter der Gardine verschwand.
Eine geschickt
zusammengestellte, kurzweilige Bühnenschau folgte. Karl Enderlein von der
Staatsoper sang Wagner-Arien. Yetta. Rosine und Emery erwiesen sich als moderne
Tänzer von Format, und die “5 Carras” leisteten hervorragende akrobatische
Arbeit. Höhepunkt dieser Schau war jedoch das Auftreten der großartigen
Schwestern Schwarz, Lilly und Emmy, die mit brillantem Können an zwei Flügeln
ihre Schlager sangen und einen brausenden Applaus ernteten.
Darauf erfolgte
die Uraufführung des "Andreas-Hofer"-Films. L29157+244+260
K29256
Schon 1930 kam das
Kino in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Musiker wurden entlassen, was für
Streitigkeiten sorgte, die vor dem Arbeitsgericht geklärt wurden. Das Gericht
entschied pro Geschäftsführung, die Musiker hatten in ihrer Rage aber schon das
Interieur des Theaters demoliert. K30121
Das im Krieg stark
zerstörte Gebäude stellt Architekt Paul Stohrer 1951 wieder als Kino her (aus
dieser Zeit stammen auch die unteren Fotos). Wiedereröffnung war am 23. 1.
dieses Jahres mit dem Film "Küssen ist keine Sünd".
Hier ein
Bericht der "Filmwoche (8/51) zur Wiedereröffnung: Die Hauptstraße im Bezirk Schöneberg hat wieder ihren
Roxy-Palast, der während des Krieges ausgebombt wurde. Später entstand hier ein
Kaufhaus, das jetzt der Direktion Lemke-Krüger hat Platz machen müssen.
Annähernd 1000 Plätze werden zur Verfügung stehen. Bei der Eröffnung fehlten
noch einige Stuhlreihen (weil aus Stuttgart nicht rechtzeitig geliefert) und
auch die Raucherlogen hinter Glas, für 40 Qualmwütige erdacht, waren von der
Baupolizei noch nicht freigegeben. Im übrigen ist schräg in unserer Zeit Trumpf
und deshalb ist nichts an diesem Hause - einschließlich der sehr eigenwilligen
Außenfront, die ihre größere Wirkung von der anderen Straßenseite gesehen
bezieht - gerade. Günther Keil, Berlins passionierter Kino-Eröffner, taufte den
neuartigen Stil - eine Gemeinschaftsarbeit von Dipl.-Ing.Arch. P.
Stohrer-Stuttgart und Architekt B. Mellendorf, Berlin - „Picasso"-Stil. Die
Ansichten der Besucher waren recht unterschiedlich. Nicht abzustreiten sind
ausgezeichnete Akustik und einwandfreie Bildwiedergabe, wobei zu bemerken war,
daß die Bildwände weiterhin die Bestrebung haben, sich auszudehnen. Es scheint
doch strikt nach Cinerama hinzudeuten. Außerdem: eingebaute Scheinwerfer für
Bühnen-Ausleuchtung. Das Haus, technisch eingerichtet von Ufa-Handel, Berlin,
und mit Bauer B VIII Projektoren arbeitend, eröffnete mit dem im
Adler-Film-Verleih erscheinenden Film „Küssen ist keine Sünd", der mit
beifälliger Freude aufgenommen wurde.
1955 wurde ein
Orchesterraum für 40 Musiker eingebaut. Die erste Aufführung des
Künstlernoteinsatzes (was war das? - Anmerkung von allekinos.com...)
überraschte durch ihre hervorragende Akustik. Außerdem wurde nach Ideen des
damaligen Theaterleiters Ungers die Kassen modernisiert. Geschickte
Raumausnutzung und rationalisierte Innenausstattung beschleunigten den
Kartenverkauf und erleichterten die Arbeit der Kassiererinnen. Die
Kartenschränke wurden für Satz- und Rollenkarten kombiniert. N5522
In der Hauptstraße
78/79 ereignete sich in der Nacht vom 5. auf den 6. April 1986 ein Attentat auf
die damals dort befindliche Diskothek „La Belle“, das weltweit Aufsehen
erregte.
Im ehemaligen Kinoraum befindet sich heute ein
Tapetenmarkt.
Bildquelle: Film-Echo/Filmwoche vereinigt
mit Filmblätter
Vielen Dank an Knut Steenwerth für die Zusendung der
Bilder
Postkarte
von 1961
ehemaliges Roxy 1975 (Bildrechte: Hans-Joachim Andree)
Eine riesige Bilderserie gibt es in der Deutschen Fotothek.
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