GLORIA - PALAST

Cuxhaven (Niedersachsen), Deichstr. 20

eröffnet: 1907 - 22.10.1954 (Neubau)
geschlossen: 2009
Sitzplätze: 360 (1922) - 375 (1930) - 493 (1940) - 810 (1957) - 390 (2007)
Architekt: Gerdes & Glimann (Neubau 1954)
Betreiber: A. Lütjens                                            1907                       Kinoname: Central-Theater
                                                            1910                       neuer Kinoname: Cuxhavener Lichtspielhaus    L10119
Louis Roloff                                         1914-1915
Johannes Wist                                      1915-mind.1921   
Oskar Dankner                                    1922-1933      
Waldemar (ab 50er&Richard)Thode    1933-1980               neuer Kinoname: Gloria-Palast
ResidenzFT GmbH, Eschweiler            1981-31.12.1984
FTB Kaspar, Delmenhorst                   1.1.1985-2005
Döscher und Mehrhoff GbR                 2006-2009

hier ein Artikel der "Cuxhavener Nachrichten" vom 21.11.2000:

Langsam dreht der Vorführer an einem Rad - das Theater verdunkelt sich. Ein Druck auf den Knopf - der Vorhang geht auf. Schon summt die Maschine wie ein Uhrwerk. Fast pausenlos rollen Wochenschau, Kulturfilm und Hauptfilm vorbei. Wir sind Zeugen großer Ereignisse aus aller Welt, die erst vor wenigen Stunden geschahen, erleben sie fast ebenso, als wären wir selbst dabei gewesen." So beschrieb ein Redakteur des Cuxhavener Tageblattes im Jahre 1938 eine Vorstellung in den legendären »UT-Lichtspielen« an der Annenstraße. Er durfte Filmvorführer Helmut Pampus bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Doch wer die Cuxhavener Kinogeschichte aufrollen wollte, der müsste mit dem "Kinematographen" beginnen, den Gastwirt August Hindenburg neben dem "Deutschen Haus" an der Nordersteinstraße betrieb. Dort wurden vor dem Ersten Weltkrieg die albernsten Klamotten gespielt, während in dem seriösen Haus an der Deichstraße Asta Nielsen und Henny Porten ihre Triumphe feierten.

Weiter zurückgeblättert in den alten Bänden vom März 1901, versprechen Zeitungsinserate "Lebende Fotografien", während "Glockes Hotel" nur vier Jahre später mit "Electro-Biographischen" Vorführungen lockte. Von glanzvollen Kinotagen konnte Anfang des Jahrhunderts noch keine Rede sein, wenngleich solche Unterhaltung für die, die es sich leisten konnten, willkommener Zeitvertreib war.

Erst mit Richard Thode bekam die "Stadt am Tor zur Welt" 1922 ein Lichtspielhaus, das seinen Namen wirklich verdiente. Die "Kammer-Lichtspiele" am Alten Weg entwickelten sich schnell zum "ersten Haus am Platze".

"Nun Vorhang auf! Das Werk mag selber reden. Und unsres Schaffens froher Herold sein. Wir hoffen gern auf Beifall von 'nem jedem. Das Spiel beginne, mög' es euch erfreun!" So schwärmte die Hamburger Konzertsängerin Ellen Haupt zur Eröffnung in ihrem feierlichen Prolog. Doch waren die flimmernden Bilder zu dieser Zeit noch stumm. Thode senior hatte deshalb ein Drei-Mann-Orchester engagiert, das unter der Leitung von Kapellmeister Helmbrecht den passenden Rahmen lieferte.

Die Filme von einst hatten so klangvolle Namen wie "Mit Büchse und Lasso", in dem laut Ankündigung der "bedeutendste, waghalsigste amerikanische Cowboydarsteller", Eddi Poto, zu sehen war. Das Theater mit seinen 534 Plätzen war für damalige Verhältnisse gut ausgerüstet und Thode sorgte dafür, dass das auch so blieb. Umbauarbeiten ermöglichten 1928 erstmalig pausenloses Spielen mit Hilfe zweier Vorführmaschinen. 1931 kam der Durchbruch: Die "Kammerlichtspiele" rüsteten, wie so viele andere, auf Tonfilm um.

Doch damit nicht genug. Das Geschäft mit der Leinwand hatte es Richard Thode angetan. 1933 mietete er das ehemalige "Cuxhavener Lichtspielhaus" an der Deichstraße, eines der ältesten Großkinos unserer Stadt. Mehrfach umgebaut, verfügte der moderne "Gloria-Film-Palast" über insgesamt 810 Plätze.

Zuvor hatte das Lichtspielhaus dem Kino- und Geschäftsbesitzer Oskar Dankner gehört, der als erster Jude in Cuxhaven den antisemitischen Terror am eigenen Leibe zu spüren bekam. Gegen ihn war eine beispiellose Hetzkampagne gerichtet, die vor allem von dem sogenannten "Rollkommando" der Marine-SA vorangetrieben wurde. Sie gipfelte am 27. Juli 1933 in einer öffentlichen Anprangerung, bei der Dankner zusammen mit seiner angeblichen "Mätresse" (einer Nichtjüdin) mit einem Schild um den Hals durch die Straßen der Stadt getrieben und dabei auch mit einem Seil geschlagen wurde.

Die gegen ihn gerichtete Verfolgungsaktion hatte Oskar Dankner bereits Anfang März 1933 dazu veranlasst, sein Kino in der Deichstraße zu verpachten. Am 3. April annoncierte Dankner dann den "Total-Ausverkauf" seines Strumpf- und Wäschehauses. Im Dezember 1933 verließ er mit seiner Frau Cuxhaven.

"Komm, wir gehn ins UT", hieß es im Jahre 1937, wenn das Lichtspielhaus an der Annenstraße gemeint war. Alfred Stasik und Adolf Kandeler bauten das einstige Stadttheater zu einem "Schmuckkästchen" mit viel Atmosphäre um, weshalb es bei den Filmfreunden besonders hoch im Kurs stand. Anfang der 60er Jahre wurde das städtische Gebäude abgerissen, für viele Filmfreunde eine nie wieder gutzumachende Sünde.

Der Schreiber einer Kinogeschichte müsste auch die Theater in Döse und Groden, die "Strandlichtspiele" und das Kino im Gasthaus "Zur Linde", erwähnen. Flirtende Teenies kuschelten gern in den "Cuxhof-Lichtspielen" am heutigen Seedeich, dem einzigen Kino weit und breit, in dem es in der letzten Reihe Zweierpolsterbänke gab.

Nicht nur Geschichte, sondern pulsierende Gegenwart ist das Bali-Kino mitten im Zentrum Cuxhavens. 1956 von Werner Blanken mit Schwager Karl-Heinz Narten gebaut, wurde es schnell zur Konkurrenz für die bereits bestehenden fünf Häuser. Als Anfang der 60er Jahre das Kinosterben einsetzte, verkaufte auch Familie Narten-Blanken ihr Haus. Aus eins mach drei hieß es dann im Jahre 1980. Im Bali-Lichtspielhaus entstanden drei Kinos unter einem Dach.

Doch auch in diesen Tagen steht die Entwicklung nicht still und die Familie Kaspar, unter deren Regie alle sechs in Cuxhaven beheimateten Kinos betrieben werden, investiert in moderne Technik. Vor erst drei Jahren wurde in moderne Dolby-Surround-Technik investiert. Sowohl der "Gloria-Film-Palast" als auch das "Bali-Service-Kino" sind in Sachen Ton bestens ausgerüstet und bekamen zudem neue Groß-Leinwände. Außerdem wurden in diesem Herbst die beiden "kleinen Bali-Kinos" neu bestuhlt. Wenn es sich bei den Sitzgelegenheiten auch um die einstigen Sessel aus dem Stadttheater handelt, so hat Kino-Leiter Ralf Kaspar die Sitze so montiert, dass auch lang gewachsene Kinogänger genügend Beinfreiheit haben. Jens Potschka

Nachtrag 2022: Im März 1933 wurde Oskar Dankner von den Nazis gezwungen sein Kino zu verpachten. Pächter war sein Konkurrent Richard Thode von den Kammerlichtspielen. 1938 wurde Oskar Dankner gezwungen, das Haus mit drei Wohnungen, einem Laden und dem Kino weit unter Wert zu verkaufen. Das Grundstueck Deichstrasse 20, hatte er von der Vorbesitzerin Emmeline Wist (vermutlich 1925) gekauft. Leider gibt es aus dieser Zeit keine Strassenverzeichnisse von Cuxhaven im Netz. In den Adressverzeichnissen,
sortiert nach Strassen, sind die Grundstücksbesitzer eingetragen. Erst für das Jahr 1927  gibt es (für das Amt Ritzebuettel, das bis 1937 zu Hamburg gehörte) wieder ein Straßenverzeichnis, in dem die Ädresse Deichstraße auftaucht. Dort ist als Grundbesitzer Oskar Dankner eingetragen. Ebenfalls für das Jahr 1928.

Der Wert des Grundstueckes Deichstraße 20 wurde 1938 von einem Rechtsanwalt mit 72.000,00 RM festgestellt. Der Betrag, der vermutlich gezahlt wurde, lag mit 14.500,00 RM erheblich darunter. Zudem war damals bekannt, das das Geld gewoehnlich auf ein Sperrkonto gezahlt wurde, zu dem der Kontoinhaber keinen Zugriff hatte. Etwas bitter laesst sich noch anmerken dass Oskar Dankner fruehzeitig starb und keine Erben hatte, die nach 1945 eine  Rückgabe des Grundstücks haetten verlangen koennen, weil der Verkauf unter Zwang erfolgt war.

Vielen Dank an Jens Meyer für die Informationen.

Das "Gloria" wurde 1954 abgerissen und neu erbaut. Der Neubau hatte Hochpolstersessel und fasste rund 800 Besucher. Die Hauptfarben waren ein wasserhelles Blau und ein ziemlich tiefes, fast ins Violett gehende Rot. Die gewölbte Leinwand hatte die Ausmaße 13 x 5 m. Die Ausrüstung war für Breitwand- und CinemaScope-Filme geignet. Im Vorführraum standen Bauer B 12-Projektoren.  W5426+48 E5445


       
Vielen Dank an Knut Steenwerth für die Bilder


Blick in den Bildwerferraum  (Bildquelle: Cuxpedia.de, dort auch weitere Fotos)
Vielen Dank an Hartmut Mester für Zusendung dieses Bildes

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