CAPITOL |
Frankfurt (Hessen), Zeil 56-58
eröffnet: | 17.02.1912 - 18.05.1926 (Wiedereröffnung) |
geschlossen: | 1942 |
Sitzplätze: | 635 (1920) - 743 (1930) - 791 (1940) |
Architekt: | Gustav Adolf Elsner (Umbau 1926) |
Betreiber: | Pagu
(spätere
Ufa) 1912-1920 Kinoname:
U.T. Zeil kein Kinobetrieb ca.1920-1926 Gustav Adolf Elsner 1926-1929 neuer Kinoname: Capitol Leonhardt Arndt 1929-1930 L29187 K3034 Siegmund Jakob 1930-1931 Hermann Saklikower 1.4.1932-1933 Frau Rufine Hensel 1933-1934 Mitteldeutsche Film GmbH 1935 Friedrich Jung 1936-1942 |
In den 1880er und 1890er Jahren, als Frankfurt trotz seiner knapp 200 000
Einwohner als Großstadt große Bedeutung hatte, hieß dieser
zentral gelegene Theaterraum „Orpheum" und war eines der besten
deutschen Varietés. In diesem Gebäude fand im Juni 1896 die erste Filmvorführung
in Frankfurt statt.
Später, um die Jahrhundertwende, als in Frankfurt das Schumann-Theater - ein Varieté mit einem Fas«ungsraum von 4000 Zuschauern - gebaut wurde, zogen die Operette, die französische Posse und das moderne Schauspiel ins "Orpheum" ein. das unter verschiedenen Besitzern als "Komödienhaus", "Residenztheater" und später "Kammespiele" firmierte. Dann erwarb die Ufa 1912 das Theater. und das UT. auf der Zeil bedeutete damals eine wirklliche Sensation, weil Frankfurt zur damaligen Zeit fast nur über die sogenannten Kintoppe. umgeänderte Laden und Restaurationslokale mit einem Maximalfassungsraum von etwa 200 Plätzen, verfügte. Hierzu schrieb die "Lichtbildbühne":
...Auf der Zeil steht das altbekannte und schöne Theater "Orpheum", als frühere erstklassige Varietébühne der Schriftleitung dieses Blattes noch genau bekannt. Trübselig sind die Reminiscenzen, die sich daran knüpften, denn das heutige Volk der Artisten wurde aus dem Tempel gejagt und einer veritablen Afterkunst Heimstatt geboten. Traurige Zeiten, als Zoten und Zötchen, Chansonettengewimmer und Kabarett-Auswüchse sich breitmachten.
Ist es da nicht natürlich, daß das Etablissement, welches der Kunst entfremdet wurde, auch als "Komödienhaus" unter Karl Heinz Martins Leitung nicht florieren konnte?
Wer hat den Mut, das Haus mit dem ewigen Pleitegeier zu übernehmen? Die Projektions-Actien-Gesellschaft Union am Ort selbst. Sie hat jetzt sowieso an allen Ecken und Enden in Deutschland ein solches Etablierungsfieber, daß das "Komödienhaus" so gleichsam aus der Billettasche heraus auch noch übernommen wurde. Die Transformation im Namen ist also noch um eine weitere Etappe gediehen: Orpheum - Residenz-Theater - Komödienhaus - jetzt U.T. auf der Zeil.
Kurz und knapp - echt amerikanisch - gibt der Kino (Anm: Kein Fehler-früher hieß es tatsächlich der Kino) den Frankfurten seine Visitenkarte ab.
Am letzten Sonnabend, den 17. Februar, fand die weihevolle Eröffnung statt. Wie uns berichtet wurde, soll die wirkliche Crème der Gesellschaft ihre Premieren-Tiger entsandt haben...
1920 eröffnete die Ufa das neue Großkino im
"Schwan" und gab das Haus auf der Zeil auf. Es wurde für 1300000 Mark
an die Kinobetreiber Georg Höhn und Ludwig Scheer verkauft. L2019
Danach wurde es einige Jahre vom späteren Berliner Theatermacher Hellmer als "Kammerspiel" (Nebenbühne seines "Neuen Theaters") genutzt. Da er mit dem Projekt nicht auf seine Kosten kam, wurde der Saal danach für einige Jahre als Geschäftsraum genutzt.
Am
18.6.1926 ging das Anwesen erneut als Kino in Betrieb. Gustav
Elsner, der Betreiber des "Alemannia" taufte es nun auf
den Namen "Capitol". K25970
Elsner betätigte sich zuvor als Architekt, weshalb er die Planungen zum Umbau ebenso selbst vornahm wie die das Ausführen der künstlerischen Fresken und Figuren. Dem alten. nüchteren Theaterraum wurde ein vollständig neuer Look verpasst. Der Raum war in den Grundfarben Kaminrot und Gold gehalten.An der Decke befand sich ein ovales Feld, das durch indirekte Beleuchtung himmelblau wurde. Außer dieser indirekten Beleuchtung gab es auch direkte Beleuchtung durch Armleuchter.. die an der Wand und an den Balkonrängen befestigt waren. Die vorhandenen, störenden Säulen wurden entfernt. Der Balkon wurde mit Winkelträgern, die mit Goldfresken verziert waren, gestützt. Die Reihen mit Hochpolstersitzen waren nach vorne und hinten ansteigend. Auf dem Balkon befanden sich fast ausschließlich Logen. Hinter diesen gab es noch einige Klappstuhlreihen. Die Leinwand war ähnlich dem Berliner "Ufa-Palast am Zoo2 mit einem goldenen Vorhang verhüllt.. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, durch das Bühnenrampenlicht Lichteffekte zu erzielen. Das Parkett-Foyer und das Balkon-Foyer waren durch eine neue, runde und elegante Treppe verbunden. Alle Treppen waren mit Teppichen belegt. Weil das Theater in der ersten Etage lag, musste auch dem Ausgang ein besonderes Augenmerk Zugewandt werden. Die Kassen wurden auf halber Höhe der Etagen in eine Nische eingebaut. Auch die Aussenfront des Hauses wurde verändert: Ein Balkon wurde vollständig entfernt und über dem Bürgersteig wurde ein Schutzdach aus Glas angebracht. Auch eine sehr wirkungsvolle Leuchtreklame mit Laufschrift wurde intalliert. Zehn Schaukästen an der Hausfront informierten den Besucher über das kinematographische Angebot.
Das Eröffnungsprogramm begann
mit der "Oberon"-Ouvertüre. Georg Lenbach vom "Neuen Theater" spach
einen Prosa-Prolog, ehe dann als Höhepunkt des Abends Weltstar Douglas
Fairbanks auf die Bühne trat. Eröffnungsfilm war logischerweise sein
Film "Der Dieb von Bagdad. L26125
Nach durchgreifender Renovierung präsentierte sich der Raum
gemütlich. einfach und anheimelnd. Die Eröffnung erfolgte mit einer
Festvorstellung vor geladenen Gästen. Als Eröffnungsfilm hatte man den
Film "Es flüstert die Nacht" gewählt, der mit Beifall aufgenommen
wurde. Der neue Leiter - Leonhard Arndt - brachte das Kino wieder in
schwung, verließ aber schon nach einem halben Jahr den Betrieb und
orientierte sich wieder in seine Heimatstadt Berlin. K29270 L31126+173 L32060
Nach dreivierteljähriger Pause eröffnete Hermann Saklikower im September 1932 das Kino mit völlig neuer Bestuhlung und zwei neuen Ernemann-Projektoren. Saklikower plante, hauptsächlich Zweitaufführungen zu spielen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flüchtete
der Jude Saklikower im Mai 1933 ins Ausland und bereits wenige
Tage später wurde das "Capitol" von dem Frankfurter
Gaufilmstellenleiter "Kommisarisch" übernommen und in
den Besitz seiner Ehefrau Rufine Hensel überführt. In der Fachpresse
wurde die Flucht verharmlosend als "Abreise" beschrieben. L33115
Quelle u.a: Lebende Bilder einer Stadt (Filmmuseum Frankfurt)
Datum der Erstellung/letztes Update: 03.02.2021