KAMMERSPIELE |
Göttingen (Niedersachsen), Hospitalstr. 1
eröffnet: | 1925 (Urania) - 02.04.1949 (Kammerspiele) | ||||
geschlossen: | ca.1975 |
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Sitzplätze: | 334 (1928) - 486 (1950) - 395/220 (1959/1971) |
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Architekt: | |||||
Betreiber: |
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Der Göttinger Archäloge Ottfried Müller
erbaute 1819 dieses Haus mit klassizistische Fassade. Hier fand später
die Göttinger "Urania" ihr Domizil. Im großen Saal wurden auch
Filmvorführungen organisiert. Nach dem zweiten Weltkrieg baute die Stadt Göttingen das Haus in zweijähriger Bauzeit zum Kammerspielhaus des Stadttheaters aus. Nach der Währungsreform war ein zweites Theater in Göttingen finanziell nicht mehr zu stemmen. Aus diesem Grund verpachtete die Stadt das Gebäude als Lichtspielhaus. Die Gesellschafter der neuen "Kammerspiel GmbH” waren die Lizenzträger Mahlmann und Heidelberg. Herr Mahlmann war bereits seit dem 18. Lebensjahr in der Filmbranche tätig und seit 1945 am Ausbau des Hauses als Theater beteiligt. Ernst Heidelberg leitete die (geringfügigen) baulichen Veränderungen vor dem Start des Kinos. Erst während des Spielbetriebes wurden Foyer und Treppenhaus saniert. Der lindgrüne, langgezogene Kassenraum war an
den Wänden mit Schaukästen und Vitrinen ausgestattet. Der Fußboden
wurde mit Sollnhofener Platten ausgelegt. Beim Betreten des
cremefarbenen Foyers fiel der Blick des Besuchers sofort auf den großen
Spiegel, der die Stirnwand beherrschte. Der Raum wurde durch zwei
Kronen erhellt, die an der Decke befestigt waren. Mehrere Türen an
beiden Seiten des Foyers führten in die beiden Garderobenräume und in
das Treppenhaus zum Rang. Vom Foyer aus gelangte man über ein paar
Stufen zum in den Zuschauerraum, der im Parterre 381 und auf dem Balkon
105 Zuschauer fasste. Wie viele andere Einrichtungsgegenstände wurde
die Bestuhlung größtenteils vom Kammertheater übernommen. Das starke
Gefälle garantierte gute Sicht. Die Wände des Zuschauerraums waren mit
weinrote Stoff bespannt, von dem sich die Pilaster mit ihren Kapitellen
silbergrau abhoben. Der goldgetönte Vorhang schloss diese
Farbzusammenstellung ab. Die Beleuchtung des Saales bestand aus 12
Pergament- Wandleuchten, die sich an den Seitenwänden befanden. Die
hellgetönte Decke hing als Schwebedecke seit dem Jahr 1854
unverändert an Ketten. Die Bühne, welche als Theaterbühne gebaut
wurde, eignete sich nach wie vor für andere Veranstaltungen. Die
Ausmaße der Leinwand betrugen 5,40 x 3,90 m. Im Vorführraum wurden 2
Ernemann VII b aufgestellt. Die Tonanlage bestand aus einer
Doppelapparatur mit je 25 Watt Leistung.
Am
Eröffnungsabend wurde zur Einstimmung der erste Satz aus Händels
Feuerwerksmusik gespielt. Im Anschluss daran lief der Film "Hofrat
Geiger". Sonntags gab es Kulturfilmveranstaltungen. Die "Kammerspiele"
waren Göttingens viertes Erstaufführungstheater.W4936 Im Garten des Anwesens wurde im Sommer am 15. Juli 1950 das erste Freilichtkino Deutschlands mit "Der Zigeunerbaron" eröffnet. Das Mittelstück des 574 Sitzplätze aufweisenden Zuschauerraums war mit einer festen Bestuhlung versehen und besaß Gefälle. Auf den seitlich gelegenen Terrassen saßen die Besucher an Tischen. Die technische Ausrüstung bestand aus zwei Ernemann VII B-Projektoren mit 150A-Gleichrichter und einer Telefunken "Cinevox III"-Verstärkeranlage. Die Bildhelligkeit der 35 m entfernten und 4,5 x 6 m großen Silberbildwand war so stark, das die Vorstellungen vor Einbruch der Dunkelheit beginnen konnten. Eine selbsttätige Jalousie überdachte das Areal bei schlechtem Wetter. E5027 Um 1953 wurde im gleichen Haus das kleinere "Studio für Filmkunst" eingerichtet, nachdem das Kino seit Angfang dieses Jahres wieder die ganze Woche für das deutsche Publikum spielen konnte. Zuvor waren 5 Tage für die stationierten Soldaten reserviert., aber inzwischen entstand auf dem Gelände der ehemaligen "Ziethenkaserne" ein neues Kino. W5313 Besitzer Ernst Heidelberg sen., der auch das "Capitol" und das "Eden" betrieb, starb am 29. April 1954. Sein gleichnamiger Sohn führte die Geschäfte weiter. 1954 wurde eine CinemaScope-Anlage installiert. Die Breitbild-Leinwand hatte die Maße 8,8 x 3,4 m. Gefahren wurde mit Ernemann X-Maschinen. E5429 Nach der Brandkatastrophe am 23. März 1957,
deren Ursache nicht geklärt werden konnte und durch die das gesamte
Inventar das Zuschauerraums vernichtet wurde, konnte das Theater im
gleichen Jahr nach gründlichen Renovierungs- und Umbauarbeiten
wiedereröffnen. Zunächst wurden die "Kammerspiele" durch Verlegung des
Eingangs räumlich vom Studio für Filmkunst, das sich im gleichen
Gebäude befand, getrennt. Die Logen waren ganz verschwunden, mit der
neu eingezogenen hellgemusterten Decke wirkte der Raum jetzt höher und
einheitlicher. Die neue Ausstattung bestand aus rosenholzfarbener und
blauer Stoffbespannung, stilvollem Wandarmen und Polsterbestuhlung. Man
installierte ein 4-Kanal-Magnetton-System und eine 10 m breite Bildwand.
E5758
Nach der Kinozeit wurde das Haus wieder zum Theater, für
das die Stadt jetzt wieder genug Geld aufbrachte.Fotos von Jörg Ostheimer finden Sie hier und hier. |