KINO-CAFÉ WEISSER HIRSCH

Hohen Neuendorf - Borgsdorf (Brandenburg), Friedensallee 2

eröffnet: 1977
geschlossen: 1990
Sitzplätze: 100-120
Architekt:
Betreiber: Bezirksfilmdirektion Potsdam

Seit etwa 1905 existiert in Bahnhofsnähe die Gaststätte „Weißer Hirsch“. Wegen fortwährender Drangsalierungen gingen die Ureigentümer 1953 in den Westen, die HO (Handelsorganisation) übernahm das Lokal, wirtschaftete es völlig herunter und längere Zeit stand alles leer.

Von September 1975 bis September 1977 hauchte man dem heruntergekommenen „Weißen Hirsch“ wieder neues Leben ein. Die umfangreichen Rekonstruktionsmaßnahmen erfolgten mit großer finanzieller Unterstützung des Magistrats von Berlin mit aktiver Beteiligung des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Oranienburg, der HO und der Bezirksfilmdirektion Potsdam.

Während dieser zweijährigen Verjüngungskur entstand aus der alten Gaststätte ein kulturelles Zentrum – ein Kino-Café (Saal) mit etwa 100 Plätzen, eine Bier- und Cocktailbar, ein Gartenlokal unter schattigen Bäumen sowie zwei Gaststättenräume.

Ein damaliger Zeitungsartikel vom 14.10.1977 besagte folgendes: „Das Kino-Café, die Besonderheit des Hauses, ist außer montags und dienstags von 14 bis 24 Uhr geöffnet. Hier darf man den Film bei voller gastronomischer Versorgung erleben, in den Abendvorstellungen ab 17.30 und 20 Uhr, während donnerstags ab 15 Uhr den Kindern eine Vorstellung eingeräumt wurde. Zum Service des Kino-Cafés zählt auch die Möglichkeit für Kollektive, die Aufführung von Kurz- und Dokumentarfilmen beim Gaststättenleiter zu bestellen. Grundlage hierfür ist ein Angebotskatalog der Kreisfilmstelle. Außerdem soll es auch mottobezogene Filmveranstaltungen geben.“

Erinnerungen vom ehemaligen Kinovorführer Günter R. „Im ‚Weißen Hirsch’ war vorne die Gaststätte und dann kam der große Saal. Darüber gab es einen Vorbau als Vorführraum. Der Saal hatte eine Bühne und da fanden auch Tanzveranstaltungen statt. Die Leinwand konnte man mit einer großen Kurbel vorziehen und spannen. Es gab viele Tische wie ein Schachbrett angeordnet und nochmals sechs unter dem Vorführraum. Etwa 120 Leute hatten dort Platz. Das Kino war immer relativ gut besucht. Von der Gaststätte aus wurde Essen serviert und auch Bier. Das war eine normale Bedienung wie in einer Gaststätte. Der Saal war mit einer Abzugsanlage ausgestattet und da konnte man auch rauchen wie nebenan in der Gaststätte. Das war das einzige Kino-Café, das ich kannte im Kreis Oranienburg. Viele Gäste kamen vom Lehnitzsee oder Briese und waren aus Berlin. Teilweise machten wir auch Freilichtkino im Sommer mit der TK 35, einer transportablen Anlage. Dann wurde draußen eine Leinwand aufgebaut.

Im ‚Weißen Hirsch’ gab es eine D2-Anlage aus Dresden. Auf die Spulen paßten maximal 600 Meter Film. Ein normaler Spielfilm von 90 Minuten bestand aus etwa 2500 Metern, also vier bis fünf Filmrollen. Die D2-Maschine bekamen wir vom Oranienburger Filmpalast, als dort eine moderne Meopta-Anlage aus der Tschechei eingebaut wurde. Hier konnte man eine 2500 Meter-Spule draufpacken.

Am ersten Tag vom Kino-Café war es sehr heftig gewesen und es sind 250 Leute gewesen. Da kann man sich vorstellen, was da abging! Im Sommer kamen die Gäste vom Außenbereich rein und dann kamen noch die Einheimischen. Dann gab es schon ein wenig Zoff. Wir haben denselben Film dreimal hintereinander gespielt bis um 12, ½ 1 nachts, wenn in der Gaststätte Feierabend war.

Der Kinoleiter hieß Kurt Müller, er war auch der Leiter vom Landfilm.“  

Im Laufe der Jahre liefen Filme wie „Zwiebel-Jack räumt auf“, „Robinson jr.“, „Anton der Zauberer“, „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Winnetou“, „Solo Sunny“ oder „Beverly Hills Cop“.

Schließlich nach der Wende übernahm jemand aus dem Westen alle Kinos der Umgebung und beendete deren Betrieb.

Die Gaststätte „Weißer Hirsch“ gibt es, nach einer längeren Ruhepause, noch immer. Und gelegentlich werden im Bankettsaal sogar wieder Filme vorgeführt…   

Text: Matthias Salchow, Geschichtskreis Hohen Neuendorf

                    

Weißer Hirsch etwa 1984 (Quelle: Geschichtskreis Hohen Neuendorf)

Saal 1977 mit Blick auf oberen Vorführraum des Kino-Cafés (Quelle: Birkner)

Vielen Dank an Matthias Salchow für die Bilder und Informationen.

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