CLUBKINO  CAPITOL

Lichtenstein (Sachsen), Schloßgasse 7

eröffnet: 1908
geschlossen: 2012
Sitzplätze: 300 (1909) - 400 (1924)
Architekt: Walter Menschner (Umbau 1927)
Betreiber:
Rudolf Lässig
Milda Schneider
Wilhelm Hallensleben
Arthur Müller
Elke Leistner
1908-1933
1933-1936
1936-1937
1937-ca.1945
-2012
Kinoname: Edison Kinosalon, ab 1927 Kammer-Lichtspiele


neuer Kinoname: Capitol



Haus und Hof der heutigen Schlossgasse 7 gehörten seit mehreren Generationen der Familie Jacobi. Die Männer arbeiteten als Schmiedemeister, die Frauen kümmerten sich um die Kinder und das Haus. 1845 ließ der Hufschmied Friedrich Benjamin Jacobi sein altes Haus abreißen und ein neues an dessen Stelle errichten. Weitere Jahrzehnte drang aus der Schmiedewerkstatt der gewohnte Klang der Hämmer. Scheunen, Schuppen und Ställe prägten das Bild des Hofes.

Mit dem neuen Jahrhundert jedoch änderte sich das gewohnte Bild. 1908 kaufte der 31-jährige Schlossermeister Rudolf Lässig das Grundstück. Er nutzte die Werkstatt, arbeitete weiterhin als Schlosser und handelte nebenbei mit Fahrrädern. Doch seine größte Aufmerksamkeit widmete er einer neuen Idee, indem er das Hinterhaus zu einem Kino umbaute, das er noch im gleichen Jahr eröffnete. Es war die Zeit, in der die Wanderkinos von festen „Theatern für lebende Riesen-Photographien" abgelöst wurden. Das Kinogebäude mit seiner repräsentativen Giebelseite zur Brückenstraße erhielt schon ein Jahr später einen kleinen Kassen- und Empfangsanbau, wurde verlängert und um einen Maschinenraum erweitert. Für maximal 300 Personen reichte der Platz. Die Bänke standen relativ eng. Zusätzlich gab es Klappsitze.

Die Geschäfte liefen gut, das Kino war bestens besucht. Zeitweilig mussten die Besucher mit Stehplätzen auf den Gängen vorlieb nehmen.In dieser Situation plante Rudolf Lässig umfangreiche Baumaßnahmen. Ein modernes und größeres Lichtspielhaus sollte entstehen.
Nach einem aufwändigen An- und Umbau des Kinos im Jahr 1927 verfügte Lichtenstein über ein für die damalige Zeit modernes Lichtspielhaus. Den Umbau leitete der Lichtensteiner Architekt Walter Menschner: Das Haus wurde vergrößert. Die neue Fassadengestaltung wurde im Stil des Art Deco ausgeführt. Der  Zuschauersaal hatte eine tonnengewölbter Decke und 400 Sitzplätze, davon 117 im Balkon. Im zweiten Obergeschoss befand sich eine 2-Zimmer-Wohnung.

Nach dem Umbau waren die Kammerlichtspiele das einzige Kino in Lichtenstein und erfreuten sich gro-ßer Beliebtheit. Jeden Sonntag um 14.00 Uhr stand eine Kindervorstellung auf dem Programm. Für 20 Pfennige gab es Plätze im Saal, zehn Pfennige mehr kostete der Balkonplatz. Rudolf Lässig bemühte sich um ein stets volles Haus. Er wusste, wie wichtig Werbung war: Ein Reklamehäuschen mit den aktuellen Filmankündigungen stand am Weg Brückenstraße. Das reichte ihm nicht. Er beantragte die Genehmigung eines Lautsprechers, den er bereits eigenmächtig angebracht und ausprobiert hatte: "Kann schon heute behaupten, dass sich mein Geschäft dadurch bedeutend gebessert hat. Der Gestank des Wehres vertrieb das Publikum, der Lautsprecher zieht selbiges an. Leider ist der Lautsprecher auch schon zweimal an dem Gestank des Wehres erstickt. Und da, wie gesagt, das Viertel an den Kammerlichtspielen eine Kolonie für sich ist, bitte ich um Genehmigung des Lautsprechers". Auch die Werbeideen halfen nichts. Rudolf Lässig hatte sich mit dem Neubau des Kinos übernommen. 1933 musste das Grundstück versteigert werden. Da sich für das Kino und das Wohnhaus Schlossgasse 7 zwei Interessenten fanden, wurde das Grundstück geteilt.

Der neue Kinobesitzer Arthur Müller betrieb das Lichtensteiner Haus neben drei weiteren Kinos in Markneukirchen, Penig und in Brunndöbra bei Klingenthal. Seine Häuser hießen alle “Capitol” und so dauerte es nicht lange, dass auch die Lichtensteiner Spielstätte den gleichen Namen erhielt. An Arthur Müller erinnert sich kaum ein Lichtensteiner, wohl aber an Hans Schädlich, den vor Ort eingesetzten Geschäftsführer oder an die Filmvorführer Rudolph Steinert und Helmut Ebert. Es war nicht einfach, das Kino während des 2. Weltkrieges regelmäßig zu bespielen. Filmvorführer wurden zum Wehrdienst eingezogen, so dass Aushilfskräfte geholt werden mussten. Oft waren es Lehrlinge, die diese Tätigkeit nach ihrer eigentlichen Arbeit verrichteten.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges ging das Kino in die städtische Verwaltung über. Als Betreiber setzte man den langjährigen Filmvorführer Rudolf Steinert ein. Nach seinem Tod leitete seine Frau das Haus von 1967 bis 1984. Bis zu ihrem Ausscheiden fanden im Sommer die beliebten Filmnächte auf der Zilhnsel statt. Später wurde die Filmvorführanlage im Park abgerissen. Inzwischen hatte der VEB Bezirksfilmdirektion Karl-Marx-Stadt das Kino übernommen. Seit 1985 war Elke Leistner Theaterleiterin.

Eine umfassende Modernisierung des Kinogebäudes fand von 1985 bis 1986 statt. Neben grundlegenden technischen Erneuerungen wurde auch der Zuschauerraum umgestaltet: Bequeme Drehsessel und Tische mit Lämpchen ersetzten die ehemaligen Stuhlreihen und schafften genügend Beinfreiheit An der Kinobar wurden Getränke angeboten. In der ehemaligen Wohnung im zweiten Obergeschoss entstand ein Clubraum. In der Folgezeit fand das Kino regen Zuspruch bei allen Altersgruppen und diente zusätzlich als Veranstaltungsraum für vielfältige Kulturprojekte. Frau Leistner war ab 1990 gemeinsam mit ihrem Ehemann als Pächterin im Clubkino tätig. Das Lichtensteiner Kinogebäude befand sich im Besitz der Stadt Lichtenstein. Es verfügte über eine moderne Filmwiedergabetechnik, eine Bühne mit Künstlergarderobe sowie eine kleine Tanzfläche. 80 Personen fanden auf den 1998 neu eingebauten Kinosesseln Platz. Die Lämpchen, die Kinobar und die Raumteiler, auf denen Getränke abgestellt werden konnten - diese Erinnerungen aus der DDR-Zeit gibt es bis zur Schließung 2012.
Quelle: Lichtensteiner Hausgeschichten Nr. 15 - Museum der Stadt Lichtenstein
Vielen Dank an Anne-Sophie Berner für die Bereitstellung des Text- und Bildmaterials


Saal vor 1985

Fotoquelle der vier Abbildungen: Archiv des Museums Lichtenstein

Blick vom Balkon nach Umbau 1927

Clubkino 1976

Fassade 1986

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Datum der Erstellung/letztes Update: 13.02.2024 - © allekinos.com