EDEN

Lübeck (Schleswig-Holstein), Königstr. 25

eröffnet: 1919
geschlossen: 1985
Sitzplätze: 620 (1922) - 299 (1940) - 309 (1958)
Architekt: Helmuth Ehrich
Betreiber: E. Ditrich                                       1919                          Kinoname: Volks-Kino
M. Drucker                                   1921-mind.1922         neuer Kinoname: Kammer-LS  L2112
Peter Jagen                                    1924
Minna Kirch                                 .1932-31.3.1951          neuer Kinoname seit 1928: Eden
Helmut Ehrich                                1.5.1951-1975
Albert Kieft &  Grießhammer         1975-1985

Seit etwa 1981 aufgegeben präsentieren sich die Eden Lichtspiele heute noch so, als wäre gestern einfach abgeschlossen worden. Es kann jederzeit wieder los gehen. Dem dürften allerdings baurechtliche Probleme entgegenstehen... denn seit der Erbauung bestanden stets Fluchtwegprobleme des im Obergeschoß zweier Lübecker Uralthäuser errichteten Lichtspielhauses.

Im Jahr 1844 kaufte ein "geselliger Volks-Verein" die Gebäude an der Königstraße Ecke Hundestraße und baute diese zum "Versammlungslokal" um.

Ein Lichtspielhaus in den im ersten Stock gelegenen Saal einzubauen lag alles andere als nah, da dieser mit ca 21 m Länge, 8,5 m Breite und 5 m Deckenhöhe nicht gerade geeignet war, zudem die Notausgangsfrage schwierig zu lösen war, und nur eine schmale Zugangstreppe zum Erdgeschoß besteht.

Letztendlich gelang es dem Photographenmeister E. Ditrich um die Jahreswende 1918/1919 unter großen Widerständen der Feuerpolizei, "Der als Fluchtweg dienende Hofraum ist geradezu eine Menschenfalle. Vom Hof führen zwar zwei schmale Gänge zur Glockengießerstraße...", den Umbau durchzusetzen. Lange währte das Filmspiel im "Volks-Kino / Bürgerverein" nicht, Ditrich schloß nach wenigen Monaten.

Am 12.03.1920 eröffnete dann ein Mann Namens Ernst Furtmiller das Haus erneut, diesmal als "Kammer-Lichtspiele". Auch Furtmüller gelang es, nur wenige Wochen durchzuhalten.

Ein Jahr später, am 18.03.1921 kam es zu einer erneuten Wiedereröffnung nach zuvor vorgenommener vollständiger Renovierung, wieder als Lichtspiel Kammer.

Bis 1932 versuchten sich ohne Erfolg 7 Besitrzer, das Kino mit Gewinn zu führen. Alle gaben nach kurzer Zeit wieder auf.

Den Namen "Eden-Lichtspiele" erhält das Haus nach einer 1928 durchgeführten Renovierung, und eröffnet wird mit dem ParUfaMet Film "Die Todesschleife" (Looping the loop), dem ersten "echten Tonfilm".

Bis 1932 versuchen sich dann noch 2 Besitzer, bis dann August Haase, der Tonfilm hatte sich vollständig durchgesetzt, das Haus 1932 übernimmt, und es seiner Tochter Minna zur Führung anvertraut, die bis zum Ende des Krieges erfolgreich Tonfilme vorführt. Ihr gelingt es mit "Kriminal- und Abenteuerfilmen" ein treues Stammpublikum aufzubauen.

Nach dem Ende des Krieges beschlagnahmt die englische Besatzungsmacht das Kino und führt es als polnisches Offizierskino für die in Lübeck lebenden "displaced persons" (sog. "Verschleppte" Ostarbeiter). Die Freigabe erfolgte am 21.Juni 1948 (Währungsreform) und Frau Kirch (geb. Haase) konnte ihr Kino zurückerhalten, zusammen mit Berhard Kuyper führte sie das Haus bis zur Schließung im Frühjahr 1951, wegen Ablauf des Pachtvertrages und aus Sicherheitsmängeln.

Frau Kirch hatte zwischenzeitlich vorgesorgt und die City-Wasserspiele neu erbaut, das heutige Filmhouse.

Im Eden fand nach einer erneuten Renovierung wieder ein Spielbetrieb ab Sommer 1951 unter der Leitung des Architekten Dipl.-Ing. H. Ehrich, der das Anwesen erworben hatte, statt. Durch einen neuen Vorführraum mit Philipps FP 5-Maschinen und einem Zuschauerraum mit veränderter Schräge und neuem Sitzplan mit Masovia-Gestühl wurde das Lichtspieltheater neuesten Anforderungen weitestgehend gerecht. Der in Grün gehaltene Zuschauerraum erhielt seinen speziellen Charakter durch die an der Bühne seitlich angebrachten Fischer-Kinoleuchten und dem verschiedenartig angestrahlten silbernen Plastikvorhang. Das Programm bestand, in Anlehnung an das von Frau Kirch, wieder aus Action- und Wildwestfilmen. Nach dem Tode des Besitzers H. Ehrich verpachtete der Sohn das Haus 1975 an die Kinounternehmer Albert Kieft aus Zarpen und Herrn Grießhammer aus Lübeck. Der Programmschwerpunkt schien sich jetzt auf harte Pornos zu konzentrieren, der Titel wurde an der Kasse bekanntgegeben. Ab 1979 erhält dann der nicht gewerbliche Arbeitskreis Kino die Möglichkeit ein erweitertes Programm (gegenüber dem in der Hoffnung) im Eden zu geben. Mit Ablauf des Jahres 1981 wird der Programmkino Spielbetrieb aufgegeben, und bis auf wenige Tage wieder die "normale" Mischung aus Action, Western und Porno gespielt. Obschon der Mietvertrag noch einige Zeit bestand, schloss die Firma Kieft und Grießhammer das Haus im Frühjahr 1985, und seit dieser Zeit steht das Kino für Interessierte Nutzer zur Verfügung. E5127

Dennoch, obwohl Herr Ehrich jun. durchaus gewillt war, das Kino wieder einer Nutzung zuzuführen, eine Wiedereröffnung war und ist schwierig, die Notausgangstreppe und der dunkle Hof sind noch der gleiche, wie er bei der Renovierung 1928 hergerichtet wurde, um damals die dringendsten Mängel abzustellen...

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Am Freitag den 1.7.2015 fiel zum letzten Mal der Vorhang in den Lübecker "Eden" Lichtspielen mit "Il nuovo Cinema Paradisio". Das Lichtspielhaus war zwar seit 1981 vom kommerziellen Betrieb abgehängt, überlebte aber in diesem Zustand weitgehend originaltreu erhalten bis 2016.
Der neue Eigentümer, der eigentlich das hinter dem Haus gelegene Wohnhaus erwerben wollte, um dort mit seinen Kindern eine günstig zur Lübecker Schule gelegene Innenstadtwohnung zu bekommen, musste den Vorderbau aus dem 13 Jh. mit Tanzbar und Kino mit übernehmen.
Errichtet 1919 als Volkskino "Bürgerverein" hatte das Haus wechselnde Besitzer, die nie glücklich wurden. Durch die nicht vorschriftengerechte Fluchtweglage durch einen 15 qm großen Innenhof und folgende Flucht durch das ggf. brennende Haus war das Kino stets zur Schließung vorgesehen. Zuletzt um 1941, kamen Fliegerbomben mit Zerstörung der übrigen Kinos zuvor,  womit das Kino wieder "kriegswichtig" war, und nicht geschlossen werden konnte. Nach Kriegsende diente es alliierten Kräften als Kulturstätte. 1950 kaufte der Dipl.-Ing. Hellmuth Ehrich das Anwesen, und modernisierte nach dem Ende des Mietvertrages mit einer Frau Kirch das Kino 1951 mit modernster Philips Bildwerfertechnik und Tonanlage. Zudem wurden Innengestaltung, Zugang und Fluchtweg so gestaltet, dass die Behörden dieses akzeptierten. Herr Ehrich betrieb das Kino bis zu seinem Tod 1975 selbst, sein Sohn vermietete das Haus dann für 10 Jahre an die Lübecker Kinounternehmer A. Kieft und W. Griesshammer, die einen Betrieb, zuletzt nur noch an vereinzelten Abenden, bis 1981 aufrechterhielten. Seit 1951 war nicht mehr investiert worden, und die Technik sowie die altmodischen Räumlichkeiten waren verschlissen.
Mit Ihren eigenen Bestandskinos boten diese Herren in Lübeck selber auch nur "Heimaten des Substandards", Ihre Investitionsbereitschaft überschritt selten das allernotwendigste, aber der Zustand des "Eden" lag noch darunter, weshalb man noch vor Ablauf des Mietvertrages die Notbremse zog.
Interessantes Detail bot der Kino"vorhang". Dieses war eine perforierte Silberbildwand, die wohl aus Zeiten des Raumbildfilms Anfang der 50er stammte. Kunstvoll mit Blumenmustern bemalt konnte diese Reflexwand mit farbigen Glühbirnen angestrahlt werden, und durch Variation der Intensität der einzelnen Farben ergaben sich effektvolle "Farblichtspiele". Hieraus resultiert auch der nachgesetzte Neonschriftzug unter dem Kinonamen, der das Haus als "EDEN", Lichtspiele. kennzeichnete.
Der Sohn des Ingenieurs Ehrich bemühte sich in der Folgezeit nach dem Ausstieg der Mieter jahrelang darum, neue Nutzer zu überzeugen, wieder Kino zu machen, doch auch ich habe 1994 die Ausweglosigkeit eines solchen Vorhabens erkennen müssen. Die bauliche Substanz des 1287 er Baues und die nicht vorhandene Wärmedämmung und veraltete Heizung aus 1936 ließen dieses aussichtslos erscheinen.
Weitere 22 Jahre vergingen, bis sich ein begeisterter Enthusiast fand, der den historischen Gebäuden aus dem 13. bis 15. Jahrhundert wieder Leben einhauchen will. Und damit ab dem 2.7.2016 den Abriß des Eden Lichtspielhauses eingeläutet hat.


Über das Kino gibt es auch einen Wikipedia-Eintrag.

I           Saal 1951 (Bildquelle: Filmecho 27/1951)
 Eden 2008

       
Eden 1978

       

     
   

   

Bilder von der letzten Vorstellung am 1.7.16 im "Eden" und dem im Erdgeschoß ansässigen Tanzlokal "Hanseaten Diele"

Vielen Dank an Stefan Scholz für die Bilder und Informationen

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Datum der Erstellung/letztes Update: 09.11.2021