SCALA

Minden (Nordrhein-Westfalen), Markt 13

eröffnet: 12.10.1927
geschlossen: 19.06.1983
Sitzplätze: 765 (1927) - 782 (1940/1955) - 827 (1957) - 3780 (1971) - 371 (1978/1981)
Architekt: Huhn, Düsseldorf (1927) - J. Weber, Herwegh, Wiesbaden  (Umgestaltung 1950)
Betreiber: Vereinigte Lichtspiele GmbH (Hartwig, Riechmann & Ostermann, Essen)      1927-1931
Christian Riechmann                                                                                     1932-25.5.1966
Lilly Oelmann-Zeisner, Gütersloh                                                                  1.12.1966-1973
Hermann Groteheide, Gütersloh                                                                    1.5.1973-1983          

Der 1923 als Bestandteil des Hotels „Viktoria“ am Mindener Marktplatz eingerichtete Saal wurde 1927 zum Filmtheater umgebaut und am Mittwoch, 12.10.1927, mit einem Doppelprogramm der Filme „Ein Tag der Rosen im August, da hat die Garde fort gemußt" sowie „Die letzte Nacht" eröffnet. Die Lokalpresse berichtete (Mindener Tageblatt [MT], 12.10.1927) dass die Vorhalle mit ihrer stilvollen Wandbekleidung und eindrucksvollen Deckenbeleuchtung einen wirklich künstlerischen Eindruck mache [...] und wunderbare Beleuchtungseffekte erziele. Im Zuschauerraum seien alle Plätze leicht zu erreichen und ein freier Ausblick auf die Bühne gewährleistet. Die Vorführungsfläche der Leinwand nehme 5,75 mal 6 Meter in Anspruch. Das Orchester befinde sich verdeckt unter der Bühne. Eine moderne Entlüftungsanlage versorge das Theater in jeder Stunde viermal mit frischer Luft. Die verbesserten Vorführungseinrichtungen würden - genauso wie schon in Großstädten umgesetzt - jetzt auch in Minden die pausenlose Vorführung eines Films gestatteten.
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1945 bis 1957 war der gesamte Hotel-Komplex durch die englische Besatzung beschlagnahmt. Der Kinosaal wurde bereits 1947 wieder freigegeben. 1950 erfuhr das Gebäude eine Umgestaltung. Das Portal des Theaters erhielt eine neue Ansicht und das Foyer durch eine silberne Tecko-Tapete mit Friesabschluss ein neues Design. Die Fachpresse beschrieb die weiteren Gestaltungselemente so: Durch einen Umgang, der vom Zuschauerraum getrennt wurde, trat der Besucher durch zwei Zwischenschleusenvorhänge in den Saal. Dieser war bis in die Höhe der Hohlkehle mit einer Samtbespannung bezogen, die sich kontrastreich von der Stofffarbe des Umgangs abhob. Zur Bühne hin war die Hohlkehle in Grün gehalten. Die elfenbeinfarbene Decke wurde durch indirekte Beleuchtung angestrahlt. Der Bühnenrahmen wurde neu gestaltet und aus einer mit Blattsilber- und Blattgold-Leisten versehenen Holzvertäfelung eingefasst. Architekt Herwegh versah die Decke mit einem Akustikputz. N5035  W5035

1955 wurde auf Cinemascope aufgerüstet.  E5521 N5543

1966 kam es zu einem Betreiberwechsel. Der langjährig erfahrende Kinoenthusiast Christian Riechmann schied aus dem Mietvertrag aus. Ein Umbauprojekt, bei dem im Kellergeschoss des Zuschauerraums eine Tiefgarage für Autos entstehen sollte, ließen eine damit verbundene Neugestaltung des 830 Plätze-Saals für ihn nicht mehr rentabel erscheinen. Der letzte unter seiner Regie gezeigte Film war am Donnerstag, 25.05.1966, „Hurra! Die Rattles kommen“ (MT, 24.05.1966). 
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Im Anschluss wurde das Kellergeschoss des Zuschauerraums entkernt und mit einer feuerfesten Decke zum darüber liegenden Kino versehen. Die Umbauarbeiten dauerten sieben Monate, damit im Kellergeschoss 13 Gäste-Parkplätze für das angrenzende „Viktoria-Hotel“ zur Verfügung gestellt werden konnten. Die Kinohistorie der „Scala“ war damit jedoch nicht beendet. Auch wenn die bautechnische Umgestaltung zwangsläufig mit einer teuren Sanierung des Zuschauerraums einher ging, entschied sich die in Minden bereits tätige Kinobetreiberin Lilly Oelmann-Zeisner in den Mietvertrag einzutreten und das Lichtspielhaus vollkommen neu auszustatten. Für die damalige Zeit noch ungewöhnlich, ließ sie beispielsweise eine Raucherloge unterhalb des Balkonbereichs einrichten. Die Lokalpresse teilte am 30.12.1966 mit, dass sich die Besucher auf Drehsesseln und an kleinen Tischen bei Getränken wie zu Hause fühlen und den blauen Dunst genießen könnten, ohne die anderen Besucher zu stören. Auch eine rauchfreie Loge existierte weiterhin. Die Bestuhlung dort wie auch in den Sitzplatzgruppen Sperrsitz und II. Parkett wurden mit neuen Hochpolstersitzen der Firma Kamphöhner bestückt. Für das I. Parkett unmittelbar vor der Leinwand wurde das alte Gestühl aufgearbeitet und nochmals zum Einsatz gebracht. Aufgrund zurückgehender Zuschauerzahlen am Ende der 1960er-Jahre entschied die Betreiberin, den großen Balkonbereich des Filmtheaters nicht wieder in Benutzung zu nehmen und die Sitzplatzkapazität damit von 830 auf 500 Plätze zu reduzieren. Wiedereröffnet wurde das Haus am Freitag, 30.12.1966, mit dem Film „Doktor Schiwago“, der sogleich 16 Wochen im Programm blieb und der größte Kassenerfolg für die „Scala“ werden sollte. Am 01.05.1973 zog sich die in Gütersloh ansässig Lilly Oelmann-Zeisner aus ihrer aktiven Berufstätigkeit zurück. Die „Scala“ ging an diesem Tag an Hermann Groteheide über, der in den Jahren davor bereits die anderen Mindener Kinos übernommen hatte (MT, 08.03.1973). Das Programm der „Scala“ bediente anschließend zunehmend das Segment des erotischen Films und wurde nur bei Kapazitätsengpässen in den anderen Kinos zur Vorführung „gewöhnlicher“ Kost herangezogen. Das letzte Filmangebot hieß daher auch „Im Taumel der Lust“ und flimmert am Sonntag, 19.06.1983, über die Leinwand. Damit endet die Geschichte des größten Lichtspielhauses der 80.000 Einwohner Stadt. Wie schon bis 1927 geschehen, wird große Saalbereich nun wieder vom familiengeführten Hotel
"Victoria" genutzt. Der Raum ist jedoch in mehrere kleinere Räume und einen Festsaal aufgeteilt.

Text: Ralf Wente


Saal 1950 (Bildquelle: Der Neue Film)

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Datum der Erstellung/letztes Update: 19.10..2023- © allekinos.com